Beratung und Seelsorge an der Ziehenschule 

Informationen für Schülerinnen und Schüler

Liebe Schülerinnen und Schüler,

wenn ihr Sorgen habt, in Not seid, euch in einer Krise befindet oder Schwierigkeiten euch belasten, können wir darüber sprechen. 

Für euch habe ich ein offenes Ohr. Im vertraulichen Gespräch suchen wir gemeinsam nach einer Lösung oder nach weiterer Hilfe.

Wenn ihr möchtet, könnt ihr direkt bei mir oder über eure Lehrerinnen und Lehrer einen Termin vereinbaren.

Ihr erreicht mich auch über die Schul.cloud oder
per Email an t.leppek@ziehenschule.de.

Gute Wünsche
Euer Herr Dr. Leppek (Evangelischer Pfarrer)

Wissenswertes zur Seelsorge und zum Seelsorge-Angebot

Die christliche Seelsorge hat eine lange Geschichte. Bereits in biblischen Zeugnissen liegen Belege für ihr Bestehen vor. Der Begriff „Seelsorge“ ist sogar noch älter als christliche Quellen; er geht auf Plato zurück, der in Sokrates so etwas wie einen Seelsorge-Experten gesehen hat.

Zur Zeit der Alten Kirche war die Sorge um die Seele als Zuwendung zu den Hilfsbedürftigen erkennbar etabliert – etwa in Gestalt von Krankenbesuchen. Kennzeichnend war schon damals, dass die Seelsorge stets auf eine Zuwendung in Form von Worten aus ist, die lebensdienlich sein sollen für die Adressaten. Die cura animarum (lat.), wie sie „klassisch“ in der Tradition heißt, wurde auf ihrem langen und vielverzweigten Weg nach und nach zu einem integralen Bestandteil diakonischer Dienste und kann als eine Form der Realisierung tätiger Nächstenliebe verstanden werden. Schon in den biblischen Zeugnissen gibt sich Seelsorge zu erkennen als ein Angebot, das Mut machen will und Trost zu geben vermag. Dass es dafür Empathie braucht, versteht sich nahezu von selbst. Seelsorge will etwas bewirken, aufbauen, den status quo derjenigen verbessern, die nach Seelsorge fragen. Daraus resultiert auch die Nähe zu Beratungs-Angeboten. Damals wie heute steht der ganze Mensch im Zentrum der Aufmerksamkeit. Auch wenn bis heute von „Seelsorge“ die Rede ist, geht es eigentlich um mehr als nur um die Seele des Menschen. Es dreht sich jedes Bemühen im Gespräch um den Menschen in seiner Ganzheit.

Seelsorge ereignet sich in der Regel im Gespräch. Häufig sind es (die etwa auch aus der Beratung und Therapie geläufigen) 4-Augen-Gespräche. Seelsorge-Gespräche können aber auch in einer kleinen Runde geführt werden. Die reichhaltige Geschichte der Seelsorge zeigt, dass sich keine feste, für alle verbindliche Herangehensweise und Form für Seelsorge-Gespräche herausgebildet hat. Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass sich mehrere Traditionen im Verlauf der Geschichte herausgebildet haben und auch heute noch untereinander konkurrieren. Auch die Dauer von Gesprächen mit seelsorgerlicher Qualität variiert – je nach Fall und Anliegen. Und sie hängt natürlich maßgeblich von den am Gespräch beteiligten Personen ab. Es gibt Fälle von Seelsorge, die sich über mehrere Gespräche erstreckt. Und es gibt daneben Seelsorge in einer knappen Form als beratende Seelsorge „zwischen Tür und Angel“.

Für die Geschichte der Seelsorge und ihre praktische Umsetzung heute sind m.E. vor allen Dingen die jüngeren Entwicklungen dieser Disziplin im 20. Jahrhundert von prägender Bedeutung gewesen: Dominierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts eher konservative Positionen, die eine kirchliche Verkündigung ins Zentrum des Interesses rückten, bildete sich in den 70er Jahren eine sog. „pastoralpsychologische“ Seelsorge aus, die ganz bewusst die Nähe zur Psychoanalyse und zur Psychotherapie suchte. Es ging verstärkt darum, dem hilfesuchenden „Klienten“ (wie man ihn gerne zu nennen anfing) beim Bewältigen einer Krise bestmöglich – d.h. konkret als Theologe und mit größtmöglicher fachlich-methodischer Kompetenz – zu helfen.
Seit ungefähr den 1990er Jahren hat sich das Feld der Seelsorge weiter ausdifferenziert. Verschiedenste Neu-Konzeptionen in der Seelsorge-Lehre wurden entwickelt und bereichern seither sowohl den Theoriediskurs als auch das Feld der praktischen Anwendung von Seelsorge.

Ein Seelsorge-Zugang, zu dem ich persönlich eine größere Nähe habe, ist die sog. systemische Seelsorge. Der Schweizer Praktische Theologe Christoph Morgenthaler hat 1999 eine Schrift vorgelegt, die von einem bewusst systemischen Blick auf die unterschiedlichsten Beziehungsgefüge ausgeht und in methodischer Hinsicht bewährte systemische Fragetechniken und Interventionsmuster adaptiert und diese praktizierenden Seelsorgern anempfiehlt. Für die Praxis kirchlicher Seelsorge halte ich Morgenthalers Neuansatz („Systemische Seelsorge. Impulse der Familien- und Systemtherapie für die kirchliche Praxis“, Stuttgart, 52014 [1. Auf.1999]) auch deshalb bedenkenswert und chancenreich, weil er als evangelischer Theologe die Idee Gottes einbezieht für das Verstehen von Menschen in ihren jeweiligen Beziehungs-Systemen.

Die religiöse Dimension in der christlichen Seelsorge dürfte zuallererst für den Seelsorger/die Seelsorgerin konstitutiv sein. Inwieweit Religiöses explizit oder implizit Gegenstand eines je und je konkreten Seelsorgegespräches ist oder wird, ist damit noch nicht gesagt. Zumindest ist mir persönlich diese Offenheit für meine Gespräche in den Sprechstunden wichtig.
Im Mittelpunkt steht jeder Mensch mit seinem Anliegen, d.h. genauer gesagt mit seinem Problem, seinen Konflikten, Sorgen oder Nöten, die mir anvertraut werden. Wer mir etwas anvertrauen möchte, kann wünschen, dass sonst niemand davon erfährt. Auch die Schweigepflicht ist ein Merkmal der Seelsorge.

Dass Schülerinnen und Schüler überhaupt an ihrer Schule ein Angebot für Seelsorge in Anspruch nehmen können, ist mit Blick auf die lange Geschichte der Seelsorge eher neu. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat erst im Jahr 2013 das 25-jährige Bestehen der Schulseelsorge gefeiert. Man beachte hierzu diese lesenswerte Broschüre (externer Link, pdf). 

Persönlich freue ich mich, als Pfarrer an „unserer“ Ziehenschule Seelsorge anbieten zu können. Und mir gefällt, (nicht nur) in der Funktion als Seelsorger zugleich auch als Botschafter der Idee und der Gegenwart Gottes unterwegs sein zu können.

Mein Credo ist: „Gib der Wirklichkeit eine Chance, mehr so zu werden, wie sie wäre, wenn sie nicht so wäre, wie sie ist!“ (zit. nach Morgenthaler a.a.O., 133)

Ich hoffe also immer wieder neu, dass aus Gesprächen echte Chancen und neue Perspektiven für das Leben erwachsen.

Herzlich
Pfarrer Dr. Thorsten Leppek 

November 2022